Psychische Störungen verstehen
Mens sana in corpore sano. Eine lateinische Redewendung, die im1., bzw. 2. Jahrhundert entstanden ist. Der Satiriker Juvenal übte damit Kritik an den Römern, die Tag für Tag um verschiedenste Dinge beteten. Seiner Meinung nach lohnte es sich nur, um einen gesunden Geist und einen gesunden Körper zu beten. Genau das bedeutet der lateinische Satz Mens sana in corpore sano übersetzt. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Der Satz wird seither oft zitiert und fand auch im Sport seine Anwendung, um das Idealbild des Sportlers zu zeichnen. Was aber ist ein gesunder Geist? Sieht man sich Statistiken rund um das Thema psychische Störungen an, dann wird schnell klar, dass ein gesunder Geist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr ist. 25 % der Bevölkerung erleben zumindest einmal im Leben Angstzustände. Genauso 25 % haben wenigstens einmal im Leben eine depressive Phase. Hat man selbst das Glück, uneingeschränkt zu sein, dann fällt es oft sehr schwer, eine psychische Störung verstehen zu können.
Krankheiten
Wir alle kennen Krankheiten und Verletzungen, die Einschränkungen mit sich bringen. Ein gebrochenes Bein behindert beim Gehen, Verletzungen des Auges beeinträchtigen die Sehleistung und hohes Fieber schränkt die Leistungsfähigkeit massiv ein. All das kann man nicht selten aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir alle hatten schon einmal Fieber und wollte nur noch schlafen. Der Weg zur Toilette erfordert in so einem Zustand viel Energie und erschöpft zusätzlich. Die Ursachen sind dabei völlig klar. Noch eindeutiger wird es, wenn ein physisches Problem vorliegt. Verliert man bei einem Unfall eine Gliedmaße, dann wird jeder verstehen, worin das Handicap besteht und warum man beispielsweise nur noch mit Krücken laufen kann. Bei psychischen Krankheiten ist das aber anders.
Psyche
Wenn ein völlig gesunder Mensch mit gesunden Händen und Füßen, intakten Sinnen und auch sonst keinerlei körperlichen Einschränkungen plötzlich behauptet, etwas nicht zu schaffen, was für alle anderen völlig einfach ist, dann fällt es zumindest schwer, das nachzuvollziehen. Schafft es jemand nicht mehr, das Haus zu verlassen, dann klingt das für einen vermeintlich normalen Menschen völlig absurd. Vor allem, wenn die betroffene Person das in den letzten Jahren tausendfach gemacht hat. Plötzlich passiert etwas, das eine Sperre, eine Barriere entstehen lässt, über die man nicht mehr hinweg kommt. Eine psychische Störung tritt ein und plötzlich gibt es unüberwindbare Hürden.
Körperliche Auswirkungen
Wer sich mit Placebos beschäftigt, wird feststellen, wie mächtig unser Geist ist. Es ist tatsächlich nicht leicht für ein Medikament in einer placebokontrollierten Studie besser abzuschneiden als Tabletten ohne Wirkstoff. Der Grund ist auch hier die Psyche. Sagt man einem Menschen, dass ein Medikament wirkt, dann wirkt es. Es reicht im Prinzip es zu glauben. Den Rest erledigt die Psyche, die direkte körperliche Folgen verursacht. Dazu gibt es zahlreiche Beispiele. Glauben Sportler gedopt zu sein, bringen sie bessere Leistungen und wer hat noch nie erlebt, dass die Kopfhaut plötzlich seltsam gejuckt hat, wenn man erfahren hat, dass das eigene Kind von Läusen befallen ist. Es reicht, wenn wir etwas glauben und schon reagiert der Körper.
Panikattacken
Panikattacken sind psychische Störungen, die fast alle Menschen einmal erleben. Die Auslöser können ganz unterschiedlich sein und auch die Panikattacke selbst kann unterschiedlich heftig ausfallen. Bei manchen Menschen übernimmt aber die Angst die Kontrolle. Eine Panikattacke kann sie jederzeit treffen und beeinträchtigt die Lebensqualität enorm. Zwar kann man, wie hier beschrieben, Panikattacken und generelle Angstzustände gut behandeln und auch alternative Behandlungsmethoden stehen zur Verfügung, aber die zugrundeliegende Angststörung lässt sich nur sehr schwer behandeln, oder heilen. Erlebt man eine solche Panikattacke mit, erlebt, wie der betroffene Mensch um Luft ringt, ängstlich um sich blickt und sichtlich gestresst ist, dann ist es sehr schwer zu verstehen, was gerade passiert.
Psychische Störungen verstehen
Der Grund dafür ist, dass der Auslöser der Panikattacke für die meisten Menschen absolut lächerlich ist. Mal eben vors Haus gehen, oder durch den Supermarkt schlendern, um ein paar Dinge zu besorgen. Dinge, die man selbst im Alltag Tag für Tag erlebt und von denen man weiß, dass sie absolut ungefährlich sind. Warum hat jemand Angst davor? Um eine psychische Störung verstehen zu können, muss man zuerst akzeptieren, dass hier kein böser Willen seitens des Kranken vorliegt. Es nützt wenig, ihm, oder ihr zu erklären, wie ungefährlich es ist auf die Straße zu gehen. Auch den Betroffenen mit sanfter Gewalt in die angst machende Situation zu bringen, bringt keinen Erfolg. Es ist keine bewusste Entscheidung. Keiner entscheidet jetzt mal ein paar Jahre im Haus zu bleiben. Es ist tatsächlich nicht möglich.
Ich kann nicht
Ist doch nichts dabei. Tür auf, raus und einmal um den Block. Das ist keine Herausforderung, wenn man gesund ist. Will man verstehen, wie sich der psychisch Erkrankte fühlt, muss man sich eine andere Situation vorstellen. Felix Baumgartner ist ein österreichischer Extremsportler, der zusammen mit dem Sponsor Red Bull immer wieder für Aufsehen sorgt. Am 14. Oktober 2012 stellte er gleichzeitig drei Weltrekorde auf. Er sprang aus einer Höhe von 38.969,4 m ab, fiel 36.402,6 m im freien Fall auf die Erde zu und erreichte damit eine Geschwindigkeit von 1357,6 km/h. Auch davor war Baumgartner bereits von Hochhäusern gesprungen, hatte den Ärmelkanal mit einem Wingsuit überquert und mit einem Karbonflügel ein Rennen mit einem Flugzeug gewonnen.
Ist doch kein Problem
Stellt man sich also vor neben Felix Baumgartner auf einem Felsvorsprung, mit einem kleinen Fallschirm auf dem Rücken auf einem Berg zu stehen, dann verändert sich die Sicht der Dinge. Was für den Extremsportler ein kleiner Aufwärmsprung wäre, bevor er aus der Stratosphäre hüpft, sorgt bei den allermeisten von uns für weiche Knie. Plötzlich findet man sich in einer Situation, in der man nicht mehr kann, was für andere kein Problem ist. Gut, man kann jetzt anführen, dass das, was Extremsportler wie Baumgartner machen, tatsächlich nicht ungefährlich ist und es nicht zuletzt auch vernünftig ist, es nicht zu machen. Warum aber steigen manche Menschen nicht in die riesigen Fahrgeschäfte am Rummel? Warum haben viele Menschen Angst auf Motorrädern? Es gibt viele Situationen, die uns an unsere Grenzen bringen. Manche weniger, manche mehr, aber schon ein Sprung vom 10 Meter-Brett ist für viele Menschen völlig undenkbar.
Verständnis
Es macht also keinen Sinn, rational zu argumentieren. Die Grundangst ist bei der psychischen Störung mit Logik nicht auszuschalten. Stattdessen muss man verstehen, was der , oder die Betroffene fühlt und versuchen, darüber zu sprechen. Was sind die konkreten Ängste, was könnte passieren und wovor fürchtet man sich. Mit diesen Ängsten kann man dann arbeiten und eine nach der anderen durchgehen. Dabei werden die Ängste immer ernst genommen und nicht heruntergespielt. Stattdessen setzt man sich damit auseinander, wie man sich verhalten könnte, wenn das befürchtet eintritt. So gelingt es vielleicht, die Person zumindest zu einem kleinen Schritt zu helfen.